Konstantin Wecker wird 75!

Dr. Karin Germerdonk

Von Dr. Karin Germerdonk

01. Juni 2022

Ob Meyer oder Wecker, eins ist gewiss: Genug ist niemals genug. Vor 45 Jahren gelang Konstantin Wecker sein großer Durchbruch. Nun wird er 75:

Genug ist nie genug.

Daß der Himmel heut so hoch steht,
kann doch wirklich kein Versehen sein.
Und es ist bestimmt kein Zufall,
daß die Lichter sich vom Dunst befrein.

Ich sitz regungslos am Fenster,
ein paar Marktfraun fangen sich ein Lächeln ein.
Irgendwo da draußen pulst es,
und ich hab es satt, ein Abziehbild zu sein.

Nichts wie runter auf die Straße,
und dann renn ich jungen Hunden hinterher.
An den Häusern klebt der Sommer,
und die U-Bahnschächte atmen schwer.

Dieser Stadt schwillt schon der Bauch,
und ich bin zum großen Knall bereit.
Auf den Häusern hockt ein satter Gott
und predigt von Genügsamkeit.

Genug ist nicht genug,
ich laß mich nicht belügen.
Schon Schweigen ist Betrug,
genug kann nie genügen.

Viel zu lange rumgesessen,
überm Boden dampft bereits das Licht.
Jetzt muß endlich was passieren,
weil sonst irgendwas in mir zerbricht.

Dieser Kitzel auf der Zunge,
selbst das Abflußwasser schmeckt nach Wein.
Jetzt noch mal den Mund geleckt,
und dann tauch ich ins Gewühl hinein.

Komm, wir brechen morgen aus,
und dann stellen wir uns gegen den Wind.
Nur die Götter gehn zugrunde,
wenn wir endlich gottlos sind.

Auf den ersten Rängen preist man
dienstbeflissen und wie immer die Moral.
Doch mein Ego ist mir heilig,
und ihr Wohlergehen ist mir sehr egal.

Genug ist nicht genug,
ich laß mich nicht belügen.
Schon Schweigen ist Betrug,
genug kann nie genügen.

Konstantin Wecker gehört zu den ganz großen Künstlern, die eindeutig Stellung beziehen im Kampf gegen Antisemitismus und Rassismus. Man kann man sich eben nicht mit kleinen Schritten begnügen. Auch dabei stimmt: Genug ist nie genug, genug kann nie genügen.

Das Gedicht von Conrad Ferdinand Meyer ist eine Hymne auf den Herbst mit seiner großartigen Fülle von Früchten, die zu Gedanken und zu Gefühlen anregen:

Meyer, Conrad Ferdinand (1825-1898)

Fülle

Genug ist nicht genug! Gepriesen werde
Der Herbst! Kein Ast, der seiner Frucht entbehrte!
Tief beugt sich mancher allzureich beschwerte,
Der Apfel fällt mit dumpfem Laut zu Erde.

Genug ist nicht genug! Es lacht im Laube!
Die saftge Pfirsche winkt dem durstgen Munde!
Die trunknen Wespen summen in die Runde:
"Genug ist nicht genug!" um eine Traube.

Genug ist nicht genug! Mit vollen Zügen
Schlürft Dichtergeist am Borne des Genusses,
Das Herz, auch es bedarf des Überflusses,
Genug kann nie und nimmermehr genügen!


Konstantin Wecker mit Band auf dem Heimatsound Festival 2016 © By Ordercrazy - Own work, CC0

Konzert und Lesung von Konstantin Wecker, Rote Bar im „Volkstheater“ Wien, 2009 © By Manfred Werner - Tsui - Own work, CC BY-SA 3.0,

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