Am 20. Januar 1942 fand in der Villa am Großen Wannsee die sogenannte Wannsee-Konferenz
statt. Auf der Besprechung mit anschließendem Frühstück diskutierten und koordinierten fünfzehn
hochrangige Vertreter der SS, der NSDAP und verschiedener Reichsministerien die Umsetzung der
Pläne für die europaweiten Deportationen und den Massenmord an Jüdinnen und Juden. Unter
den 15 Teilnehmern waren Reinhard Heydrich, Chef des Reichssicherheitshauptamts (RSHA), und
Adolf Eichmann, Leiter des Referats IV B 4 im Reichssicherheitshauptamt. Das Konzert findet somit
an einem Ort statt, der jahrelang durch die Perspektive der Täter geprägt war.
Mit der Machtübernahme Adolf Hitlers am 30. Januar 1933 rückte die antisemitische Politik der Nationalsozialisten ins Zentrum. Die Nazis begannen damit, die Gesellschaft nach ihren Vorstellungen umzuwandeln. Erste offizielle Aktionen gegen die jüdische Bevölkerung wurden ab dem 1. April 1933 mit dem Aufruf zum Boykott jüdischer Geschäfte umgesetzt. Ihre Propaganda machte auch vor dem Kunst- und Kulturbereichen keinen Halt: Musik jüdischer Musiker*innen und Komponist*innen wurde zunächst abgelehnt, als „entartet“ diffamiert und schließlich verboten.
Innerhalb kürzester Zeit wurde die durch Verfolgung Andersdenkender, Gewalt und Terror geprägte Ideologie von Millionen Deutschen aktiv mitgetragen. Der verhältnismäßig kurze Zeitraum der nationalsozialistischen Diktatur stellt einen absoluten Bruch in der Geschichte dar. Die Zäsur, die damit einhergeht, ist tiefgreifend und geht über ein
schlichtes Verbot der Musik von Jüdinnen und Juden oder Sinti*zze und Rom*nja weit hinaus. Die unreflektierte Übernahme von Nazi-Ideologie nach der Shoah wird beispielsweise bei der Betrachtung von Nachschlagewerken deutlich, aber auch in zahlreichen Musikführern oder kleinen Handbüchern, die über Komponist*innen und ihre in den 1920er Jahren entwickelten Werke informieren. Während der NS-Zeit haben sich die Nationalsozialisten dieser Nachschlagewerke angenommen, deren Inhalte an ihre Ideologie angepasst und sämtliche Komponist*innen und Musiker*innen entfernt, die jüdischer Herkunft waren oder die sie für jüdisch gehalten haben.
Diese Lexika wurden nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs mit geringfügigen Veränderungen einfach wieder neu aufgelegt. Dies wurde jahrzehntelang praktiziert, sodass unterschwellige antisemitische Haltungen immer weiter transportiert wurden. Eine vollkommene Neuauflage wurde erst nach der Wiedervereinigung ins Auge gefasst und umgesetzt.
„Lebensmelodien“ – das sind jüdische Melodien, musikalische Werke, die im Zeitraum von 1933–1945 komponiert, gesungen, gespielt oder manchmal auch aufgeschrieben wurden. Hinter den Lebensmelodien verbergen sich die Lebensgeschichten jüdischer Schicksale. Melodien, die in den Lagern geholfen haben zu überleben - oder auch von dieser Welt Abschied zu nehmen; zudem Melodien etwa aus der ehemaligen Sowjetunion oder den Städten Warschau und Florenz; Melodien, die auch an jüdischen Feiertagen gesungen wurden; und zuti efst persönliche Melodien, die in den unmenschlichsten Situationen Hoff nung und Trost gespendet haben.
Der Kirchenkreis Tempelhof-Schöneberg ist Initi ator dieser Konzertserie. „Lebensmelodien“ werden vom Beauft ragten der Bundesregierung für jüdisches Leben und den Kampf gegen Antisemitismus Dr. Felix Klein gefördert. Veranstaltet wird das Projekt „Lebensmelodien“ von der interreligiösen Kooperation „Grenzgänge“, welche 2018 von der Alhambra esellschaft , der Evangelischen Akademie zu Berlin, der Apostel-Paulus-Kirchengemeinde und dem Evangelischen Kirchenkreis Tempelhof-Schöneberg gegründet wurde.
Der Komponist Paul Ben-Haim wurde am 5. Juli 1897 als Paul Frankenburger in München geboren.
1933, dem Jahr der Machtübernahme Adolf Hitlers, konnte er nach Palästina ausreisen. So gehörte er
zu den wenigen Überlebenden, die jüdische Kultur der Nachwelt überliefern konnten. Mit der Ankunft
in Palästina änderte er seinen Namen in Ben-Haim als Zeichen für sein neues Leben. Er setzte sich aktiv
mit der neuen Kultur auseinander und brachte sie in seinem Werk ein. Er starb am 14. Januar 1984 in
Tel Aviv.
Louis-Röchling-Straße 23
66333 Völklingen