Holocaust- Gedenktag 27. Januar 2022

Dr. Karin Germerdonk

Von Dr. Karin Germerdonk

31. Januar 2022

Ich bin ein Stern

Sterne am Himmel, ein Stern auf der Brust.
Mama, ich weiß, ich hab’s längst gewusst,
Kein Zeichen der Schande ist er, mein Stern,
Ich trag ihn mit Stolz, ich trage ihn gern.
Ein Stern als Lohn, der höchste Preis,
So war es immer, ja, Papa, ich weiß.
Es ist mir egal, was die anderen sagen,
Ich will ihn für mich und trotz allem tragen.
Ich bin ein Stern.
Wenn sie über mich lachen, wenn sie mich schelten,
für mich soll der Stern etwas anderes gelten.
Sie starren mich an, sie zeigen auf mich,
sie sind ohne Stern, der Stern bin ich.
Sie sind von Gott, die Sterne der Nacht.
Auch mich, auch mich hat er gemacht.
Weine nicht, Mama, hör mein Versprechen,
Niemand wird meine Seele zerbrechen.
Ich bin ein Stern.


Inge Auerbacher, Ich bin ein Stern, in: Kinderwelten, ein jüdisches Lesebuch von Alexa Brum, Rachel Heuberger, Manfred Levy, Kovar Verlag, 1996

 

Dieses Gedicht stammt von der Holocaust-Überlebenden Inge Auerbacher. Zusammen mit ihren Eltern hat sie das Ghetto Theresienstadt überlebt. Die Familie konnte nach dem Ende des 2. WK nach Amerika auswandern. Dort schrieb sie ihre Autobiographie „I am a Star“, das 1986 bei Penguin Group veröffentlicht wurde. Zu diesem Buch gehörten auch 22 Gedichte, die jedoch in der deutschen Übersetzung vom Beltz Verlag, die 1990 herauskam, nicht mitübersetzt und veröffentlicht wurden. Dieses geschah 2014 in einer Broschüre „22 Gedichte zu „Ich bin ein Stern““ vom Hartung-Gorre Verlag.

Die Holocaust-Überlebende Inge Auerbacher hat vor dem Deutschen Bundestag von ihren traumatisierenden Erlebnissen im Ghetto Theresienstadt gesprochen. Sie gehört zu den wenigen, die als Kind das Leben in Theresienstadt  überlebten. In ihrer bewegenden, zutiefst menschlichen Rede beschrieb sie ihren Werdegang und wie sie mit ihrer Traumatisierung durch die schrecklichen Erfahrungen der Shoah umgegangen ist.

In ihrer Rede erwähnte sie u.an. das Gedicht „Der Schmetterling“ von Pawel Friedmann, das den Kindern von Theresienstadt gewidmet ist.

Der Schmetterling

„Der letzte war's der aller allerletzte
der satt und bitter blendend grelle
vielleicht wenn eine Sonnenträne irgendwo auf weißem Stein erklingt

so war das Gelb
und trug sich schwebend in die Höhe
er stieg gewiss gewiss wollt' küssen er dort meine letzte Welt

und sieben Wochen leb ich da
gettoisiert
hier fanden mich die Meinen

mich ruft der Löwenzahn
und auch der weiße Zweig im Hof auf der Kastanie
doch einen Schmetterling hab ich hier nicht gesehn

das war gewiss der allerletzte
denn Schmetterlinge leben nicht im Getto.“

Pawel Friedmann, Theresienstadt 04.06.1942

Von Pawel Friedmann ist leider nur wenig bekannt: Geboren am 7. Januar 1921 in Prag, wurde er am 28. April ins Ghetto Theresienstadt deportiert. Das Gedicht hat er am 4. Juni 1942 geschrieben, gewidmet den Kindern in Theresienstadt. Er wurde nach Auschwitz deportiert, sein Ankunftsdatum ist auch sein Todestag: 29. September 1944.

Der Schmetterling wurde zum Symbol für die Kinder vom Ghetto Theresienstadt. Inge Auerbacher trug am Gedenktag eine Schmetterlingsbrosche.

 

Inge Auerbacher
Ich bin ein Stern
Erzählung
Übersetzt aus dem Amerikanischen von Mirjam Pressler
Beltz und Gelbert, ISBN:978-3-407-78949-5

Kinderwelten
Ein jüdisches Lesebuch
Vorw. v. Ignatz Bubis, 128 Abb. v. Ami Blumenthal
Hrsg.  v. Alexa Brum, Rachel Heuberger, Manfred Levy, Noemi Staszewski, Dodie Volkersen
Verlegt von Roman Kovar 1996, geb. 34,00DM - 34,00SFr - 244,00ÖS

Inge Auerbacher
22 Gedichte zu Ich bin ein Stern
Aus dem Amerikanischen übersetzt von Susanne Bruckner,
bearbeitet von Andrea Meller,
herausgegeben vom Deutsch Israelischen Arbeitskreis
Südlicher Oberrhein e.V., Ettenheim
1. Auflage 2015. 52 Seiten, € 4,00. 978-3-86628-512-5

Bild: Ghetto Theresienstadt, Zeichnung: © By Bedřich Fritta - Ghetto Fighters House,

 

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