Spendenaufruf Forum Alma Rosé

Dr. Karin Germerdonk

Von Dr. Karin Germerdonk

09. August 2021

Dann wieder

Was keiner geglaubt haben wird

was keiner gewusst haben konnte

was keiner geahnt haben durfte

das wird dann wieder das gewesen sein

was keiner gewollt haben wollte.

Erich Fried

Mit diesen wenigen Zeilen drückte Erich Fried genau jene Stimmung in Deutschland nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs aus. Erich Fried gehört zu den wichtigsten Vertretern der politischen Lyrik in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts.

Aus einer Wiener jüdischen Familie stammend war ihm ein feines Gespür für unterschwellige Spannungen und Stimmungen der Gesellschaft eigen. Antisemitische Strömungen hatten bereits lange vor 1938, dem Anschluss Österreichs an das Dritte Reich, Konjunktur. Der latente Antisemitismus reichte in weiten Teilen der österreichischen Gesellschaft bis in die Zeit der k.u.k.-Monarchie zurück. Nach dem Anschluss an das Dritte Reich wurde jedoch der Antisemitismus zur Staatsdoktrin: Der nationalsozialistische Antisemitismus und Rassismus hatte zum Ziel, auf jeden Fall alle Juden, aber auch alle Nicht-Arier, gnadenlos und systematisch zu verfolgen, zu vertreiben und zu ermorden.

Der Vater von Erich Fried, Hugo Fried, wurde im April 1938 von der Gestapo verhaftet, gefoltert und nach relativ kurzer Zeit wieder entlassen, als sterbender Mann so schwer gezeichnet, dass Erich Fried seinen eigenen Vater nur schwer wiedererkennen konnte. Diese traumatische Erfahrung hat Erich Fried in all seinen Handlungen und Veröffentlichungen bis zu seinem Tod 1988 geprägt. Kurz nach dem Tod des Vaters gelang ihm die Flucht nach London. Bereits unmittelbar nach seiner Ankunft half er, selbst Opfer der Nazis, anderen Opfern der Nationalsozialisten zur Flucht, zum Überleben.

Damals, während der Zeit des Dritten Reiches, schien eine antisemitische Haltung fast normal zu sein. Zumindest in Deutschland wurde diese Einstellung sozusagen zum Gesetz, mit vielen Vorschriften zementiert. Gewiss, es ist erschreckend, dass die Nationalsozialisten sechs Wochen nach der Machtübernahme Hitlers das Reichsermächtigungsgesetz durch den Reichstag brachten und damit die Diktatur verankerten und so der Weimarer Republik endgültig den Todesstoß versetzten.

Etliche Errungenschaften der Weimarer Republik, in der aufgrund der ersten zensurfreien Zeit der deutschen Gesellschaft sofort eine Fülle von neuen aufregenden Werken in Musik und Kultur hervorgebracht wurden, waren wenige Wochen und Monate nach der Machtübernahme Hitlers fast nicht mehr vorhanden.

Es schien so, als ob nach der Machtübernahme innerhalb einer sehr kurzen Zeit weite Teile der deutschen Gesellschaft ziemlich ohne Probleme die Doktrin der Nazis übernommen hätten.

Lange Zeit schien es unmöglich, dass sich in Deutschland die Geschichte des Nationalsozialismus noch einmal wiederholen könnte. Nun liest man es in den Zeitungen und in den Social Media immer wieder: Menschen mit Kippa werden auf der Straße angegriffen, jüdische Friedhöfe werden geschändet, Synagogen beschmiert und beschossen (Halle)… Nur eine Minderheit stört sich daran, dass Juden öffentlich diskriminiert, auf der Straße geschlagen werden, dass antisemitische Straftaten sich häufen. Dabei war es in Deutschland nach dem Krieg lange Zeit verpönt, sich öffentlich antisemitisch zu äußern. Und nun?

Es ist empörend, dass Antisemitismus, Antiziganismus und Rassismus wieder verstärkt auftreten. Es gibt keine Lichterketten als Zeichen der Solidarität mit den Opfern, es gibt keinen gesellschaftlichen Aufschrei angesichts derart zahlreicher rechtsextremer Straftaten, zu einem hohen Prozentsatz von Deutschen ausgeübt. Die Mehrheit der deutschen Gesellschaft scheint sich für dieses Thema kaum zu interessieren. Es entsteht der Eindruck, dass diese Ereignisse kaum noch wahrgenommen werden.

Mit dem „Forum Alma Rosé“ möchte ich einen Beitrag zur Sensibilisierung für das aktuelle Geschehen leisten. Eine Möglichkeit, sich diesem Thema zu nähern, ist eine Auseinandersetzung mit dem, was damals auf musikalischer und künstlerischer Ebene geschehen ist, denn viele Komponist*Innen, Musiker*Innen und Künstler*Innen haben die Fähigkeit, gesellschaftspolitische Entwicklungen und Strömungen sehr frühzeitig wahrzunehmen, lange Zeit bevor sie von der Mehrheit der Gesellschaft wahrgenommen werden.

Der Name der Forums nimmt Bezug auf die Nichte von Gustav Mahler: Alma Rosé, die emigriert war, zurückkehrte, von den Nazis verfolgt und interniert wurde. Sie starb am 4. April 1944 in Auschwitz als Leiterin des Mädchenorchesters.

Für mich als Musikhistorikerin geht es um die Auseinandersetzung mit der Verfolgung der Musiker*Innen und Komponist*Innen durch die Nationalsozialisten. Um mehr als nur ein Zeichen gegen Antisemitismus zu setzen, war die erste Intention, angeregt durch die jahrzehntelange intensive Beschäftigung meiner Partnerin als promovierte Historikerin und Politologin mit dem Thema Nationalsozialismus und Antisemitismus, ein Musikbegegnungszentrum zu gründen für verfolgte Musiker*Innen und Komponist*Innen des Nationalsozialismus mit musikgeschichtlicher Rezeptionsgeschichte als Schwerpunkt. Bei vielen Gesprächen mit Professor*Innen, Instituten, Organisationen und Stiftungen ist mir deutlich geworden, dass der rezeptionsgeschichtliche Ansatz aus der Musikwissenschaft heraus ein Mittel ist, um diffizile Rassismen und Diskriminierungen in der Gesellschaft aufzuzeigen, die gerade heute unglaublich aktuell geworden sind.

Bei der Beschäftigung mit dem Thema der Verfolgung der Musiker*Innen und Komponist*Innen durch die Nationalsozialisten ist mir bewusst geworden, dass es nicht reicht, sich diesem Thema auf einer rein musikwissenschaftlichen Ebene zu nähern. Um die ganze Tragweite dieser Verhaltensweisen und Mechanismen zu erfassen und zu entdecken, ist eine grundlegende Einbettung in historische und zeitgeschichtliche Abläufe und Fragestellungen notwendig. Dieses Thema darf nicht in einem wissenschaftlichen Elfenbeinturm abgehandelt werden, bei dem Spezialisten unter sich sind. Es ist ein Thema der ganzen Gesellschaft, es betrifft eine große Gruppe von Menschen, die – damals und heute wieder – aus der Gesellschaft ausgeschlossen wurden und werden. In diesem Zentrum geht um die Wahrnehmung dieser Mechanismen.

Mir geht es um die Verbindung der musikwisssenschaftlichen Ebene mit historischen und zeitgeschichtlichen Fragen und aktuellen gesellschaftspolitischen Aspekten. Gesellschaftspolitik bedeutet u.a. die Auseinandersetzung mit Rassismus, Diskriminierung, Gleichberechtigung und Bildungspolitik. Um dieses Ziel zu erreichen, bin ich mit meinem „Forum Alma Rosé“ online gegangen.

Das „Forum Alma Rosé“ ist als Ort der Sensibilisierung gedacht gegen musikalische, sprachliche und endlich gegen jede gesellschaftliche Ausgrenzung von jüdischen Menschen, Sinti und Roma, ethnischen Minderheiten, Andersdenkenden und Andersgläubigen, dem vermeintlich „Anderen“. Es soll nachhaltig wirken gegen Antisemitismus, Rassismus und Diskriminierung durch einen lebendigen Austausch unter Fachleuten und Interessenten sowie Debatten fördern zwischen den verschiedenen Fachbereichen, die mit diesem Thema befasst sind wie Musik, Musikwissenschaft, Geschichte und Politikwissenschaft. Die aktive Auseinandersetzung mit Geschichte, Musik und Kultur aus jener Zeit kann hilfreich sein, um eine stillschweigende Zustimmung durch passives Verhalten weiter Teile der Gesellschaft wie in der Weimarer Republik zu verhindern. Ziel ist es, die „Guten“ aus dem Passiven ins Aktive zu lotsen. Im Forum soll nicht nur zurückgeschaut und darstellt werden, wie es einmal gewesen ist, sondern es soll auch der Bezug zur Gegenwart hergestellt und deutlich darauf hingewiesen werden, wie die Situation heute ist und wo welche Gefahren lauern. Etliche Begriffe der NS-Sprache und das braune Liedgut sind in rechten Kreisen bereits wieder seit vielen Jahren präsent.

Dieses Forum widmet sich den verfolgten Musiker*Innen und Komponist*Innen, den Schriftsteller*Innen und Künstler*Innen der NS-Zeit. Im Forum Alma Rosé soll erläutert werden, wie Komponist*Innen und Musiker*Innen mit gesellschaftspolitischen Veränderungen umgehen und wie sie diese in Musik umsetzen: Musik, Politik und Gesellschaft stehen in einer Dreiecksbeziehung, deren Spannung immer wieder Veränderungen unterliegt. Musik und Literatur nehmen auf, was in einer Gesellschaft virulent ist bzw. was in der Luft liegt, aber von den meisten Zeitgenossen – noch – nicht wahrgenommen wird. Anhand dieser Zeitzeichen kann die Entwicklung einer Gesellschaft durch wissenschaftliche Analyse und Interpretation von den Nachgeborenen nachvollzogen werden. Gerade die Zeitspanne von 1918 bis 1945 war von grundlegenden gesellschaftspolitischen Spannungen geprägt, die in Deutschland und Österreich dennoch durchaus sehr verschieden ausgetragen wurden.

Um eine noch größere gesellschaftliche Reichweite meiner Arbeit mit dem “Forum Alma Rosé” zu erreichen, bin ich aktuell dabei den Verein “Forum Alma Rosé” zu gründen.

Wenn Sie bereit sind, mir zu helfen, dieses Anliegen in der Öffentlichkeit zu implementieren, wäre ich Ihnen für eine Unterstützung meiner Crowdfunding-Kampagne auf „gofundme“ sehr dankbar.

Bei Interesse bitte ich um Kontaktaufnahme:

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Statement

Bei jeder Form von Diskriminierung, Diffamierung oder Beleidigung aufgrund von Herkunft, Geschlecht, Alter, Religion, Einkommen oder sexueller Orientierungsowie bei persönlichen Angriffen werden sofort die geeigneten rechtlichen Schritte ergriffen.

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