Zum 117. Geburtstag von Alma Rosé

Dr. Karin Germerdonk

Von Dr. Karin Germerdonk

05. November 2023

Auschwitz-Birkenau, 4. April 1944: Frau Alma stirbt. "Frau Alma", so wird Alma Rosé, die Leiterin des Frauenorchesters von Auschwitz, vom Wachpersonal respektvoll genannt. Die Trauer beim Wachpersonal und bei den Häftlingen, vor allem bei den Frauen des Frauen-Orchesters ist groß. Ihre Todesumstände bleiben bis heute mysteriös, denn sie kam nicht in den Gaskammern von Auschwitz um. Sie verlor ihr Leben vermutlich aufgrund einer Vergiftung: Es könnte sein, dass sie bei ihrem letzten persönlichen Solo-Auftritt vor dem Wachpersonal nach einem Konzert mit ihrem Orchester etwas gegessen oder getrunken hat, das ihr das Leben gekostet hat. Genaue Details sind jedoch nicht überliefert.

Auschwitz war ein Todes- und Vernichtungslager. Wie kam es also dazu, dass das Wachpersonal um einen jüdischen Häftling trauerte, in einer Umgebung, in der Jüdinnen und Juden aus ganz Europa in Viehwaggons nach Auschwitz geschafft wurden, in den Gaskammern ermordet und anschließend Berge von Leichen ununterbrochen in den Krematorien verbrannt wurden?

Alma Rosé kam zunächst nach ihrer Ankunft am 18. Juli 1943 in Auschwitz in den Block 10, dem Bereich für medizinische Versuche von Dr. Josef Mengele. Es wurde ihr erlaubt, dort Geige zu spielen. Darauf hin wurde sie als herausragende Musikerin von der Lagerleitung erkannt. Maria Mandel, eine berühmt-berüchtigte Oberaufseherin, die nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs aufgrund ihrer Taten zum Tode verurteilt wurde, bestimmte sie zur Dirigentin des Frauen-Orchesters in Auschwitz-Birkenau.

Dieses Orchester war eines von insgesamt sechs Orchestern, die es in den verschiedenen Lager-Abschnitten von Auschwitz gab. Im Gegensatz zu den Männer-Orchestern, die nach ihrer Arbeit noch musizieren mussten, war die einzige Aufgabe des Frauen-Orchesters zu üben und zu spielen, z.B. beim Ein- und Ausmarsch der Häftlinge zum Arbeitsantritt. Einer der grauenvollsten Aufgaben war das Musizieren an der Todesrampe, wenn ein Zug einfuhr, die Viehwaggons voll gepfercht mit jüdischen Menschen, Männer, Frauen und Kindern, die beim Aussteigen sortiert wurden: Die einen gingen ins Lager, die anderen ins Gas.

Alma Rosé war sich ihrer eigenen tödlichen Bedrohung und der "ihrer" Mädchen bewusst. Aus diesem Grund verlangte sie von ihren Musikerinnen absolute Höchstleistung und Hingabe, denn sie wusste, dass nur mit einer außergewöhnlichen Leistung ein Überleben möglich war. Die Kraft von Alma Rosé, Mädchen und Frauen, die in ihrem früheren Leben vielleicht ein Instrument mehr oder weniger gut spielen konnten, zur musikalischen Höchstleistung anzutreiben und fast wie Profis gemeinsam musizieren zu lassen, ist erstaunlich. Es gab dort keine "Planstellen", sie konnte nicht nach bestimmten Musikerinnen suchen, sondern es kamen die zum Orchester, die Musik machen konnten.

So erging es auch Anita Lasker, die bei der Aufnahmeprozedur (als politischer Häftling) mitteilte, dass sie Cello spielen konnte. Alma Rosé war begeistert, mit dem Cello ein tiefes Instrument für ihr Ensemble zu erhalten. Anita Lasker und auch ihre Schwester Renate sowie alle anderen Mitglieder des Frauenorchesters (zum Ensemble zählten insgesamt 40 Personen inkl. Notenschreiberinnen) haben die Todeshölle von Auschwitz nur überleben können, weil es das Orchester gab, das von Alma Rosé geleitet wurde. Anita Lasker-Wallfisch lebt heute hochbetagt in London, ihre Schwester Renate Lasker-Harpprecht starb am 3. Januar 2021 in La Croix-Valmer.

Alma Rosé wurde am 3. November 1906 in Wien geboren, sie wuchs in einer angesehenen Wiener Familie auf, die trotz der antisemitischen Grundhaltung der Wiener gesellschaftlich integriert war. Ihr Onkel war der berühmte Komponist und Dirigent Gustav Mahler, ihr Vater Arnold Rosé war der Begründer des Rosé-Quartetts.

Ausführlichere Informationen zu Alma Rosé und ihre Wirkung finden sie auf der Homepage vom "Forum Alma Rosé: www.forum-alma-rose.de

Alma Rosé mit Geige © Wolfgang Wendel
Sonntagskonzert in Auschwitz © Wolfgang Wendel

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